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Im Kulturkeller Weinhaus Mehling, Hauptstrasse 30, 97816 Lohr am Main Eintritt: 5 € |
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Lolita lesen in Teheran |
Lolita lesen in TeheranPressestimmenDer Titel »Lolita lesen in Teheran« mag skurril klingen, doch er berührt eine nicht gerne zur Kenntnis genommene Binsenweisheit. So kann die Literaturwissenschaftlerin Azar Nafisi nach Erteilung eines Lehrverbots an der Universität Teheran – wegen Verweigerung des Hijabs – nur noch heimlich unterrichten. In einem klandestinen Zirkel diskutiert sie Nabokovs Skandalroman »Lolita« aus dem Jahr 1955. In den Augen der Revolutionswächter, deren Argumentation der Film zu Beginn präzise seziert, ist diese Schilderung der sexuellen Beziehung eines Erwachsenen zu einer 12-Jährigen ein rotes Tuch. Azar Nafisi spießt einen anderen Aspekt dieses Buches auf. Jene pädophilen Fantasien, die »Lolita« ausbuchstabiert, werden nämlich nicht nur von Männern aus der dekadenten westlichen Hemisphäre entwickelt. Da auch im Iran nach der islamischen Revolution die Anzahl der Kinderehen anstieg, spricht eine der Studentinnen den Schlüsselsatz aus: »Sind wir alle Lolitas?« Vielleicht ist das Erstaunlichste an Lolita lesen in Teheran, dass ein Film über die Vergangenheit so direkt in meine Gegenwart spricht. In Riklis’ Bildern erkenne ich jene stillen Innenräume wieder, in denen viele von uns heimlich atmen lernten: ein geschlossenes Fenster, ein aufgeklapptes Buch, ein Satz, der trotz allem ausgesprochen wird. Die Frauen auf der Leinwand könnten meine älteren Schwestern sein – heimliche Leserinnen, deren leises Aufbegehren nur jene bemerkten, die es kannten. Der Film verklärt dieses Flüstern nicht, aber er macht es hörbar. Und erinnert daran, dass Widerstand manchmal nichts weiter braucht als einen Ort, ein Buch und den Mut, die eigene Stimme nicht verstummen zu lassen.
Es gibt Filme, die nicht einfach erzählt werden, sondern ausgehalten werden müssen, weil sie im Kern jenes fragile Flimmern tragen, das entsteht, wenn Erinnerung und Gegenwart aneinander reiben. Lolita lesen in Teheran ist so ein Film: ein Werk, das seine politische Intensität nie ausstellt, sondern in die kleinen Bewegungen der Figuren legt, in die Pausen, die Blicke, die atmende Stille. Eran Riklis, ein Regisseur mit sicherem Gespür für Zwischentöne, inszeniert die Adaption von Azar Nafisis Memoiren mit jener kontrollierten Ruhe, die weiß, dass der Alltag der Unterdrückung lauter ist als jede Filmmusik. Golshifteh Farahani als Azar Nafisi trägt dieses Projekt mit einer emotionalen Tiefenschärfe, die fast unheimlich wirkt: Ihr Spiel ist so restriktiv, so von innen heraus illuminiert, dass man ständig meint, auch ihre eigene biografische Erfahrung mitensehen zu können. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass viele der Darstellerinnen selbst Exil-Iranerinnen sind. Der Schmerz sitzt hier nicht nur in den Dialogen, er wohnt auch in den Körpern.
Trailer |
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