Irgendwann werden wir uns alles erzählen
DE, FR 2023, 132 min • Darsteller
Maria: Marlene Burow
Henner: Felix Kramer
Johannes: Cedric Eich
Marianne: Silke Bodenbender
Hannah: Jördis Triebel
• Crew
Regie: Emily Atef
Buch: Emily Atef & Daniela Krien
Kamera: Armin Dierolf
Schnitt: Anne Fabini
Irgendwann werden wir uns alles erzählen
Pressestimmen
Felix Kramer macht es uns leicht, diesen emotional verkrüppelten Einsiedler mit verträumt verwuseltem Haar, dem Herzen eines Dichters und den zupackend-rauen Händen eines Arbeiters interessant zu finden. Gelungen wirkt auch die Begierde, die zwischen beiden lodert. Diese unkontrollierbare Gier nach dem Körper des jeweils anderen, der einen alle Vernunft vergessen und Konsequenzen verdrängen lässt.
Emily Atefs Romanadaption ist großes Drama, hyperrealer Heimatfilm und Gesellschaftsanalyse in einem und zeigt, dass das deutsche Kino ungeahnte Potentiale hat
Es ist schon fast eine Stunde vergangen in Emily Atefs Nachwendefilm, der seine Premiere im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale feierte. Eine Stunde, in der Daniela Kriens immer wieder an die archaische Sprache in Hamsuns Segen der Erde erinnernder Roman in Bilder überführt wurde (Kamera: Armin Dierolf), die so stark sind, dass man meint, sie riechen zu können. Es sind die Sommergerüche der Natur und es sind die Sommersehnsüchte der Menschen, das Ächzen einer ganzen Gesellschaft, die in sparsamen Dialogen versucht, den Alltag mit seiner ernüchternden wirtschaftlichen Realität nach der Wende in den Griff zu kriegen, hier im Osten, nicht weit von der ehemaligen Grenze zur BRD.
Hier wird sich in Dostojewski versunken, werden Trakl-Gedichte vorgelesen, werden sich Briefe der verbotenen Liebe geschrieben, übernachtet man heimlich im Haus eines älteren Mannes und erzählt, man wäre zu seiner Mutter gereist, fällt dabei ins Fieber der Leidenschaft und pflegt sich wieder gesund, als wäre man in einem Roman von Jane Austen.
Und all das mit feierlichem Ernst: Es ist deswegen ein kleines Wunder, dass Irgendwann werden wir uns alles erzählen auch wirklich hinhaut, sich wirklich zu einer symphonischen, stimmigen Erzählung über die Wende verdichtet. Emily Atef entfaltet eine Geschichte über die Irrungen und Wirrungen des Privatlebens in Verbindung mit einer wackelnden Ordnung der Öffentlichkeit, wie aus dem russischen Realismus eines Tolstoi.