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Filme September / Oktober 2023

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MI 13. September 2023
18:00 & 20:15 Uhr
Die Purpursegel

von Pietro Marcello
FR, IT 2022, 105 min

 

Die Purpursegel

Es ist gerade erst eine Woche her, dass wir "Die Purpursegel" gesehen haben; es war eine kleine Offenbarung, ein Film, der all das verbindet, was wir am Kino so sehr lieben: Eine märchenhafte Geschichte, magischer Realismus und das Eintauchen in eine uns inzwischen fremde Welt. Leider haben wir "Martin Eden" von Pietro Marcello nach dem Roman von Jack London verpasst, der in der Corona Zeit im Kino untergegangen ist. Vielleicht können wir ihn nachholen, wenn euch Pietro Marcellos "Die Purpursegel" auch so gefällt wie uns.
"L’envol" - so der Originaltitel - ist eine freie Adaption des Kinderbuchs "Das Purpursegel" von Alexander Grin aus dem Jahr 1923. Doch Marcellos Film ist beileibe kein Kinderfilm geworden, die FSK hat ihn sogar auf "ab 16 Jahre" eingestuft und doch atmet der Film märchenhaftes aus allen Poren. Da ist zum Beispiel Adeline, Herrin über den „Cour des Miracles“, die die kleine Tochter des Kriegsheimkehrers Raphaël adoptiert hat und neben dem Gutshof sich auch mit Wunderheilung beschäftigt. Und natürlich ist da auch eine wohlmeinende Hexe und Wahrsagerin, wunderbar gespielt von Yolande Moreau.
Doch im Zentrum stehen Raphaël und seine begabte Tochter Juliette, die untrennbar sind und gemeinsam den Anfeindungen des Dorfes widerstehen. Verbunden sind sie durch die Musik - Raphaël am Akkordeon und die herangewachsene Juliette am Klavier - und die gemeinsamen Arbeiten mit Holz. Wunderbare Spielzeuge entstehen da aus den großen, rissigen Händen von Raphaël.
Was während des ersten Weltkriegs im Dorf geschehen war und auch Juliette bedroht, ist das düstere Geheimnis des Dorfes, das hier von uns nicht verraten wird. Doch die Weissagung der Hexe, dass die Purpursegel am Himmel erscheinen werden, geht in Erfüllung und so erfährt der Film wie in einem guten Märchen am Ende eine optimistische Wendung.
Fazit: Ein Film über eine Zeit, als Wunder noch geholfen haben.

Hier könnt ihr das Interview mit dem Regisseur Pietro Marcello lesen

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Mittwoch 27. Sept. 2023
18:00 OmU & 20:30 Uhr
All the Beauty and the Bloodshed

von Laura Poitras
USA 2022, 122 min

 

All the Beauty and the Bloodshed

Wie Kunst und gesellschaftliches Engagement Dinge bewegen können.
Ein aufrüttelnder Film, der doch Hoffnung macht.

Einige werden es verfolgt haben, denn in den USA ist die Opioid-Krise bis heute ein ganz großes Thema. Es geht um den Sackler-Clan, der als Mäzen für seine umfangreichen Spenden an Museen und anderen prestigeträchtigen künstlerischen Projekte bekannt ist und dem das Unternehmen Purdue Pharma gehört. Purdue stellte nicht nur das stark süchtig machende Schmerzmittel OxyContin her, die Sackler Familie machte sich auch im Zusammenhang mit der Vermarktung des Medikaments wegen Verschleierung und aggressiver Methoden schuldig.
Wir sind ja nicht als die großen Dokumentarfilm Fans bekannt, wie wir auch lieber Romane als Sachbücher lesen. Aber von Zeit zu Zeit gibt es Dokus, die uns begeistern. "All the Beauty and the Bloodshed" gehört unbedingt dazu! Er verbindet Kunst - Nan Goldin ist eine renommierte und faszinierende Fotokünstlerin - mit der Geschichte von "P.A.I.N. (Prescription Addiction Intervention Now)", der Gruppe, mit der Goldin den erfogreichen Protest gegen die Sackler Familie durchgeführt hat.
Trailer vermitteln oft eine falsche Vorstellung von dem Film, den sie bewerben. Bei dem Trailer zu All the Beauty and the Bloodshed dagegen bekommt einen guten Eindruck, wie der Film "gestrickt" ist. Wir empfehlen: anschauen!
Auch ungewöhnlich für einen Dokumentarfilm: Es gibt eine synchronisierte Fassung, die wir um 20:30 Uhr zeigen. Um 18:00 Uhr zeigen wir wie gewohnt die Originalfassung mit Untertiteln. Die bietet sich an: Christine Deggau schreibt bei rbbKultur: "In der Synchronisation geht die rauchige Stimme von Nan Goldin leider etwas unter, im Original nämlich erzählt sie wie nebenbei aus ihrem Leben, so als ginge es um nichts. Dabei ging es immer um alles."
Fazit: Eine Doku, die bewegt und deren Sogkraft uns nicht mehr loslässt.

Hier könnt ihr über die Enstehungsgeschichte des Film lesen

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Mittwoch 4. Okt. 2023
18:00 & 20:15 Uhr
Was man von hier aus sehen kann

von Aron Lehmann
Deutschland 2022, 103 min

 

Was man von hier aus sehen kann

Es ist an der Zeit, dass ihr endlich mal einen Film von Aron Lehmann im Keller sehen könnt. Wir sind ihm zum ersten Mal in "Die letzte Sau" begegnet. Ein köstlichea Road Movie über einen verzweifelten Bauern, der aud dem Motorrad mit seinem letzten Schwein im Beiwagen gegen die Agrarindustrie kämpft.
Inzwischen gehört Aron zu den erfolgreichen Regisseuren im Lande und wurde mit der Verfilmung des in 22 Sprachen übersetzten Bestsellers von Mariana Leky betraut. "Was man von hier aus sehen kann" spielt in einem Dörfchen im Westerwald und Lehmanns skurrile Liebe zum Ländlichen war da eine Empfehlung. Dass er tragische Geschichten mit viel Liebe und Humor auf die Leinwand bringen kann, ist ein weiteres Plus.
Es geht aber auch reichlich dramatisch zu in diesem Dorf, das jenseits dörflicher Wirklichkeit einen Optiker, einen Buchhändler und sogar eine Eisdiele bietet. Doch die Bewohner des Dorfes heben den Film erst richtig ins Märchenhaft-Magische: Da sind Großmutter Selma mit ihren übersinnlichen Fähigkeiten, ein verliebter Optiker, buddhistische Mönche, die ganz selbstverständlich ihre Rundgänge machen, um nur ein paar zu bennenen. Und die Erzählerin Luise hat etwas von der Magie ihrer Großmutter geerbt: Immer wenn sie etwas sagt, an das sie eigentlich gar nicht glaubt, fällt irgendwo etwas auf den Boden.
Auf den Punkt bringt es der Produzent Jakob Claussen: „Der Roman bringt etwas mit, was im Kino als Gefühl funktioniert, damit meine ich den Zusammenhalt unter den Dorfbewohner:innen. Jeder kümmert sich hier um jeden. Egal, wie man sein mag, ob schlechtgelaunt, krank oder dem Alkohol verfallen. Alle dürfen so sein, wie sie sind. Das ist in meinen Augen der emotionale Kern des Buchs, der auch im Kino glücklich machen wird.“
Fazit: Liebevolles Eintauchen in den Kosmos eines magischen Dorfes

Hier könnt ihr das Interview mit dem Regisseur Aron Lehmann und der Romanautorin Mariana Leky lesen

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Mittwoch 11. Okt. 2023
18:00 & 20:30 Uhr
Nostalgia

von Mario Martone
Italien, Frankreich 2022, 118 min

 

Nostalgia

Meist schicken wir euch mit der "Kellerbahn" nach Paris, aber dieses Mal geht es weit in den Süden, nach Neapel - in ein Viertel abseits des Tourismus. "Ich wollte die mysteriöse Stimmung erfassen, die ich auch während der Dreharbeiten in Neapel gespürt habe. Ich war fasziniert von der Idee, einen Film nicht in einer Stadt, sondern in einem Viertel zu drehen, als wäre es ein Schachbrett, und deshalb stammen alle Straßen, Häuser und Personen, die in NOSTALGIA auftauchen, ausschließlich aus dem Viertel Sanità, einem neapolitanischen Stadtteil, der ein Stück vom Meer entfernt liegt" , schreibt Mario Mantone in seinen Directors' Statement.
"Nostalgia" ist ein Film, der einen hineinzieht in diese fazinierende Stadt der Armut und des Verbrechens. Erzählt wird die Geschichte von Felice, der es geschafft hat, einer vorgezeichneten Verbrecherlaufbahn zu entfliehen. Nach 40 Jahren kehrt er als wohlhabender Bauunternehmer zurück in seine Heimat. Es ist eine emotionale Reise, die durch Rückblenden in seine wilde Jugendzeit gespiegelt wird.
Getragen wird der Film von vier Menschen, die er (wieder) trifft. Bewegt erleben wir, wie sich Felice nach der langen Zeit rührend um seine gebrechliche Mutter kümmert. Der Stofflieferant Raffaelle, einst unsterblich in seine Mutter verliebt, entwickelt sich zum väterlichen Freund. Vom Pater Don Luigi, dem guten und mächtigen Geist des Viertels, wird er geradezu schlitzohrig in die Rolle eines Vorbilds und Wohltäters geführt. Doch dann ist da Oreste, der beste Freund aus Jugendtagen, inzwischen aber der ungekrönte König des Verbrechens im Viertel. Gegen aller Rat, will Felice ihn treffen, und so nimmt das Drama seinen Lauf.
Fazit: „NOSTALGIA lässt den Zuschauer in die Stadt eintauchen, man kann die Gerüche der offenen Märkte, des Mülls, der heruntergekommenen Gebäude, der Motorradabgase und ab und zu auch die reinere Luft der Kirchen praktisch einatmen.“ – Deadline

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Mittwoch 18. Okt. 2023
18:00 & 20:00 Uhr
Alma und Oskar

von Dieter Berner
AT, DE, CH 2022, 88 min

 

Alma und Oskar

Dieter Berner ist ein Regisseur für alle Fälle, der bis 2013 vor allem für das Fernsehen gearbeitet hatte. Auch die Drehbuchautorin Hilde Berger (* 1946) hat ein umfangreiches Oevre als Schauspielerin, Drehbuch- und Romanautorin vorzuweisen. Für "Egon Schiele - Tod und Mädchen" und zuletzt für "Alma und Oskar" haben sich die beiden zur filmischen Umsetzung von Künstlerbiographien zusammengetan. Beide Filme basieren auf Romanen von Berger. Das Schwergewicht liegt dabei weniger auf der künstlerischen Entwicklung als vielmehr auf den Lebensgeschichten der Protagonisten.
Alma Mahler, Tochter eines Landschaftsmalers und einer Sängerin, ist eine der wenigen Frauen des beginnenden 20. Jahrhunderts, die sich gegen die Konventionen der Zeit ein freies und kreatives Leben erkämpfte und dafür ebenso sehr bewundert wie gehasst wurde. "Alma und Oskar" erzählt ihre Geschichte von der Endphase ihrer Ehe mit Gustav Mahler im Jahr 1912 bis zum Ersten Weltkrieg und konzentriert sich dabei auf die Beziehung von Alma zu dem damals noch verkannten Genie Oskar Kokoschka.
In manchen Kritiken wird bemängelt, dass die Werke von Alma und Oskar "unterbelichtet" bleiben ... Verkannt wird dabei, dass nicht die Kunst, sondern die Beziehungen im Fokus stehen. Gerade dass Alma die traditionelle Rolle der ergebenen Frau abstreift und sich - wie sonst nur dem Manne zugestanden - Liebhaber sucht und diese ihrer Neigung unterwirft, ist der zentrale Gegenstand des Films.
"Stürmischer Sex ohne große Intimität" titelte SWR-Kultur. Als ob die männlichen Künstler dieser Zeit gefühlvolle Beziehungen zu ihren zahlreichen Frauen gehabt hätten!
Fazit: Opulente und mitreißende Künstlerbiographie

Hier könnt ihr das Gespräch mit dem Regisseur Dieter Berner und der Roman- und Drehbuchautorin Hilde Berger lesen

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Mittwoch 25. Okt. 2023
18:00 & 20:00 Uhr
Fallende Blätter

von Aki Kaurismäki
Finnland, DE 2023, 81 min

 

Fallende Blätter

In allen Filmen dieser Welt gestehen Liebende einander wortreich ihre Leidenschaft. In allen Filmen? Nein! Bei Kaurismäki reicht der sprichwörtliche "Erste Blick", um Liebe zu entflammen ... und sie brennt lakonisch bis zum Happy Ending.
Mit den Brüdern Kaurismäki ist das wortkarge Finnland fast im Alleingang zu einer beachteten Filmnation geworden. Die Liste ihrer Filme ist lang, und auch im Keller konnten wir mit "Le Havre" und "Die andere Seite der Hoffnung" - von Aki Kaurismäki - süchtig werden nach seinen lakonischen Filmen über kleine Leute.
"Fallende Blätter" wird als Ergänzung zu Aki Kaurismäkis »Proletarischer Trilogie« gesehen, vor allem aber ist es seine erste "Romantic Comedy", in der zwei prekär lebende und einsame Existenzen fast wortlos zueinander finden. War noch in "Le Havre" und "Die andere Seite der Hoffnung" die Solidarität mit dem Schicksal der Migranten ein Kernelement der Handlung, kommt das Grauen des Krieges in "Fallende Blätter" nur noch in Form von Nachrichten aus vorsintflutlichen Kofferradios zu Wort - stummes Entsetzten im Angesicht des Unvorstellbaren!
Kaurismäki beschreibt es so: "Da mich der Gedanke an all die sinnlosen, unnötigen und kriminellen Kriege in unserer Welt sehr quält, habe ich beschlossen, eine Geschichte über diejenigen Themen zu schreiben, durch die meiner Meinung nach in der Zukunft eine Chance auf mehr Humanität in unserer Gesellschaft besteht: Eine Geschichte über die Sehnsucht nach Liebe, nach Solidarität, nach Hoffnung und dem Respekt für andere Menschen."
Fazit: Eine ebenso entzückende wie melancholische (und mit 80 Minuten Laufzeit erfrischend kurze) Liebesgeschichte, nicht mehr und nicht weniger.

Kaurismäki ist Finne, wortkarg und Interview-abstinent.
Hier seine Filmographie und ein ultrakurzes Director's Statement


 

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