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MI 1. März 2023 18:00 & 20:15 Uhr
Passagiere der Nacht
von Mikhaël Hers
Frankreich 2022, 111 min
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Passagiere der Nacht
Vielleicht wundert ihr euch ja, warum wir diesen französischen Film nur in der deutschen Fassung zeigen. Es ist einfach so, dass dieser wunderbare Film voller feiner Dialoge ist, und viele von uns sind bei der Originalfassung auf die Untertitel angewiesen. Zudem sind die Bilder so faszinierend, dass man sich auf diese konzentrieren will. Seht euch den Trailer an, dann versteht ihr, wovon wir reden.
Wie Léa Seydoux ist Charlotte Gainsbourg eine der ganz großen Darstellerinnen des französischen Kinos. Selten hat sie so eine Ausstrahlungskraft, so eine starke physische Präsenz wie in "Passagiere der Nacht". Sie spielt Elisabeth, eine seit kurzem geschiedene Frau mit zwei erwachsenen Kindern, die ihr Leben neu ausrichten muss.
Wir werden in das Leben in den 1980er Jahren zurückversetzt, den Kindheitsjahren des Filmemachers Mikhaël Hers. Es ist seine Auseinandersetzung mit der Geschichte dieses Jahrzehnts. Hers hatte Lust, in diese Zeit seines Lebens einzutauchen und all die Bilder und Geräusche wieder aufleben zu lassen.
Der Film beginnt mit der Wahl von François Mitterrand zum Staatspräsidenten am 10. Mai 1981. Der Jubel der Menschen auf den Straßen ist wie eine Fanfare, eine Overtüre zum Einstieg in die Zeit - eine Parallele zu Vincent Maëls "Die Magnetischen", in dem die Dorfbewohner am Beginn den Sieg Mitterrands im Bistro feiern.
Auch für Gainsbourg waren diese Jahre mitentscheidend für die Annahme der Rolle. Auf die Frage, was dafür ausschlaggebend war, sagt sie in einem Interview: "Rückblickend kann ich mir vorstellen, dass mich die Wärme des Drehbuchs angezogen hat: die Beziehung der Mutter zu ihren Kindern, das Vergehen der Zeit, die Feinheit der Erzählung und der Beschreibungen. Die Schönheit und Poesie dieses Projekts kommen von seiner Leichtigkeit. Außerdem war ich begeistert davon, in die 1980er Jahre einzutauchen."
Eine tragende Rolle spielt das Tonstudio "La Maison de la Radio", in dem die Live-Sendung "Passagiere der Nacht" produziert wird und in dem Elisabeth Arbeit und Freunde findet, vor allem Vanda Dorval (Emmanuelle Béart), die die Moderatorin der Sendung spielt. Hers' Inspiration kam von der Sendung „Les choses de la nuit“ von Jean-Charles Aschero, die fast die ganze Nacht lief. Frankophile unter uns können sich die kleine Doku über
den Sender und "Les choses de la nuit" anschauen. Hörproben aus der Sendung gibt es ab 11:30.
Die junge Noée Abita ist eine Entdeckung! Sie spielt Talulah, eine Verlorene im Dschungel der Großstadt, die
nachts im Studio auftaucht - ein Mädchen von der Straße: viel zu schön um wahr zu sein. Elisabeth liest sie nach der Sendung vor dem Studio auf und nimmt sie mit nach Hause. Sie wird Teil der Familie und wie ein Katalysator verändert diese:
Eine familiäre Solidarität entwickelt sich ... bis zum harmonischen Gruppenbild mit Großvater und Straßenmächen.
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MI 8. März 2023 18:00 & 20:15 Uhr
Corsage
von Marie Kreuzer
AT, LUX, DE, FR 2022, 113 min |
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Corsage
Der Film zum Frauentag - "Sissi" als eine moderne Frau! Eine radikale und freie Erzählung des Lebens der Kaiserin Elisabeth von Österreich
Bei dem Skandal um Florian Teichtmeister (als Kaiser Franz Joseph besetzt) gab es Stimmen, die "Corsage" von der Leinwand verbannen wollten. Unsere Meinung ist, dass man wegen der - erst nach den Dreharbeiten bekannt gewordenen - Verbrechen, nicht die gesamte Filmcrew in Sippenhaft nehmen kann. Oder wie Marie Kreuzer es ausdrückte: "Wir würden ihm eine ungeheure Macht geben, wenn wir sagen, man kann diesen Film nicht mehr sehen."
Manche unter euch werden Marie Kreutzer noch von ihrem Film "Der Boden unter den Füßen" kennen, den wir Ende 2019 im Keller gezeigt haben. Da ging es um die Überforderung einer Frau, zerissen zwischen Beruf und Betreuung der schizophrenen Schwester. Mit einem wesentlich größeren Budget konnte sie sich jetzt bei "Corsage" eine Ikone des 19. Jahrhunderts vornehmen: eine Neuerzählung des Lebens der Kaiserin Elisabeth von Österreich. Von dem gefälligen Kitsch der Sissi - Filme ist da nichts mehr zu finden.
Vergleichbar ist "Corsage" eher mit "Spencer": Das Schicksal einer selbstbewußten, intelligenten Frau, die zwischen Etikette und Freiheitsdrang aufgerieben wird.
"Wie unwohl sich die Protagonistin fühlt, die ständig umgeben ist von Beobachtern – seien sie nun Bewunderer oder Kritiker –, äußert sich in ihren alltäglichen Rebellionen. Möchte sie einer Situation entfliehen, täuscht sie mitunter Ohnmacht vor oder verlässt das Bankett mit erhobenem Mittelfinger und dreckigem Grinsen im Gesicht. Wie die historische Vorlage lässt sie sich einen Anker tätowieren und ist wiederholt mit Zigarette zu sehen", schreibt Arabella Wintermayr in der TAZ
Der Filmtitel "Corsage" nimmt viel vorweg von dem Kampf einer Frau, die sich in einem Leben einzurichten versucht, das nicht das ihre zu sein scheint. Die Kaiserin ist eingeschnürt in ein Korsett aus Erwartungen; der Druck lastet so stark auf ihr, dass er ihr kaum Luft zum Atmen lässt.
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MI 15. März 2023 18:00 OmU & 20:30 Uhr
Donnerstag, 16. März 18:00 Uhr DF
Der Gesang der Flusskrebse
Where the Crawdads Sing
von Olivia Newman
USA 2022, 126 min
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Der Gesang der Flusskrebse
Kino für die Sinne
Es ist ein kleines Phänomen: "Der Gesang der Flusskrebse" wurde von den meisten Kritikern geschmäht, doch von fast allen Kinobesuchern geliebt. Rotten Tomatoes ermittelte 34% Critics- und 96% Audience Score. Sollen wir also mal eine Ausnahme machen, da wir doch überwiegend hochgelobte Filme im Keller zeigen?
Bettina Peulecke von NDR Kultur bringt die Gründe für den Erfolg des Films sehr gut auf den Punkt: "Die Macher von "Der Gesang der Flusskrebse" wissen offensichtlich, wie Kino geht. Der Film ist ein märchenhafter Mix aus einer Coming-of-Age-Außenseitergeschichte, Thriller und Romanze. Letztere oftmals hart an - manchmal sogar ein bisschen über - der Kitsch-Grenze, aber absolut mitreißend in Szene gesetzt."
Seien wir mal ehrlich: Wollen wir nicht auch manchmal uns einfach fallen lassen und eintauchen in eine märchenhafte Geschichte? "Der Gesang der Flusskrebse" erzählt von einem in der Wildnis der Sümpfe zurückgelassenen Mädchen, die sich zu einer selbstbewußten und talentierten jungen Frau entwickelt. Sie ist eine Pippi-Langstrumpf-Figur für Erwachsene - wie diese lebt sie allein in einem verwunschenen Haus. Catherine „Kya“ Clark ist stark und schön und alles wäre wie im Paradies, wenn da nicht die "normalen" Nachbarn aus der nahegelegenen Kleinstadt wären.
Und wie das in amerikanischen Kleinstädten so ist, spielen Sport und Sex bei den Buben die wichtigste Rolle. Das ist fatal für ein so starkes und sensibles Mädchen. Sie muss sich wehren und so schleichen sich Thriller-Elemente in die paradisische Landschaft ein!
Ein Film für die große Leinwand! Und wenn wir uns fallen lassen und die "Flusskrebse" als modernes Märchen genießen, steht einem spannenden Filmabend im Keller nichts im Wege.
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MI 22. März 2023 18:00 & 20:30 Uhr
Vogelperspektiven
von Jörg Adolph
Deutschland 2022, 106 min
Einführung und Q&A mit Hartwig Brönner.
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Vogelperspektiven
Arten- und Naturschutz in Aktion
Es ist höchste Zeit: In den letzten 60 Jahren hat Deutschland fast die Hälfte seiner Vögel verloren. Trotzdem ist für uns kein Tier so allgegenwärtig. Es gibt unzählige Arten von Vögeln, überall sind sie zu finden, nicht zu überhören, auffallend – und oft auffallend schön. Sie sitzen in Hecken und Bäumen, auf Dächern und Balkonen. Doch während der Himmel für sie keine Grenzen hat, wird ihr Lebensraum auf der Erde knapp. VOGELPERSPEKTIVEN behandelt eine hochaktuelle Thematik und zeigt, wie wichtig Vögel für die Erde, den Kreislauf der Natur und deshalb auch für die Menschheit sind. Vögel spüren als erste die Klimakatastrophe und zeigen uns die Defizite im Umgang mit der Natur.
Jörg Adolph begleitet den Ornithologen Dr. Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV), einem der größten Naturschutzverbände Deutschlands, auf seiner Mission zur Rettung der Vögel. Der LBV steht dabei exemplarisch für die Arbeit der NGOs, die sich für die Natur und Artenvielfalt engagieren.
Ganz anders beobachtet Arnulf Conradi Vögel. Der Gründer und frühere Verleger des Berlin Verlages ist begeisterter Birdwatcher seit Kindertagen. Poetisch und philosophisch erzählt er in VOGELPERSPEKTIVEN von seiner Faszination für die heimische Vogelwelt.
VOGELPERSPEKTIVEN ist eine intensive Verschmelzung von Dokumentar- und Naturfilm und öffnet die Augen für die Schönheit der Vögel und deren Beobachtung, blickt dabei auch hinter die Kulissen der Umweltpolitik und zeigt beispielhafte Schutzprojekte. Wir machen uns auf zu einer emotionalen und inspirierenden Erkundungsreise mit atemberaubenden Bildern und erleben Arten- und Naturschutz in Aktion.
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MI 29. März 2023 18:00 & 20:00 Uhr
Maria träumt - Oder: Die Kunst des Neuanfangs
von Lauriane Escaffre & Yvo Muller
Frankreich 2021, 93 min
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Maria träumt - Oder: Die Kunst des Neuanfangs
In der Mitte des Lebens ein neues finden
Ganz schön lange ist es schon wieder her, dass wir eine dieser wunderbaren französischen Komödien, Oden an das Leben, im Keller hatten - "Glück auf einer Skala von 1 bis 10" fällt uns da ein, der im letzten Jahr Anfang August lief. Während vom Leben Benachteiligte meistens in Dramen auf der Leinwand zu sehen sind, verkörpern sie in französischen Komödien oft die Protagonisten mit einer Lizenz zum Glück.
Die unscheinbare Maria muss sich eine Putzstelle suchen, nachdem die alte Dame, der sie den Haushalt führte, verstorben ist. Nicht nur für sie, sondern auch für uns ist es ein Glücksfall, dass sie in der Pariser Académie des Beaux-Arts eingestellt wird. Die Académie - in deren Räumen der Film gedreht wurde - ist ein Erlebnis für sich. Es ist ein Labyrinth von extrem filmischen Räumen, ein Ort an dem sich mehrere architektonische Stilrichtungen und verschiedene Epochen überlagern.
"Maria träumt" ist die vergnügliche - im echten Leben leider allzu seltene - Geschichte einer schüchteren Frau, die in der quirligen, von Kreativität sprühenden Kunstakademie Erfahrungen, Selbstbewußtsein und in dem eigenwilligen und liebenswerten Hausmeister die Liebe findet.
Auch der schönen Noée Abita (die "Talulah" aus "Passagiere der Nacht") begegnen wir wieder. Sie ist die Kunststudentin Naomie, die Maria besonders ins Herz geschlossen hat. Maria hilft bei ihrem Abschlußprojekt und Naomie ermuntert sie, als Aktmodell für die Studenten zu arbeiten - was auch Hausmeiter Hubert zu goutieren weiß und die Temperatur ihrer Beziehung steigen lässt.
Fazit: Endlich wieder eine Feel-Good-Komödie im Keller, wie wir sie lieben!
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MI 5. & 12. April 2023 jeweils 16:00 Uhr
Die Häschenschule - Jagd nach dem goldenen Ei
von Ute von Münchow-Pohl
Deutschland 2017, 76 min
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Die Häschenschule - Jagd nach dem goldenen Ei
Spaß für die Kleinen an Ostern
Ostern steht vor der Tür, doch das Fest schwebt in großer Gefahr! Denn die Füchse haben herausgefunden, wo sich das goldene Osterei befindet, welches den Osterhasen Kraft für ihre mühevolle Arbeit bringt. Durch einen Flugunfall taucht plötzlich der „Stadthase“ Max in der Häschenschule auf, von der er bisher dachte, dass sie nur in einem Buch existiert. Natürlich will er sofort wieder zurück in seine coole Stadt, doch das geht nicht so leicht, wie gedacht. Während er heimlich einen Fluchtplan schmiedet, freundet er sich mit der Häschenschülerin Emmi an, die ihn vom Ernst der Lage überzeugt. Schafft es Max mit seinen neuen Freunden, das Ei doch noch vor den Füchsen zu beschützen? In dem Animationsfilm DIE HÄSCHENSCHULE – JAGD NACH DEM GOLDENEN EI geht es um Gruppenzusammenhalt und Freundschaft und dies drückt die Erzählung auch aus. Nur weil eine Gang cool ist, ersetzt sie keine echten Freunde. Jeder Hase wurde anders aber dennoch kreativ und niedlich gestaltet. Die Musik unterstützt die Bewegungen der Hasen sehr passend. Auch zu hören ist Noah Levi, der The Voice Kids Gewinner 2015, welcher die Hauptrolle Max synchronisiert. Für gute Laune und den nötigen Osterflair sorgen die bunten Blumen und die blühende Natur. Den Film rund um das fantasievolle Spektakel empfehlen wir ab 5 Jahren.
FBW Jugend Filmjury
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MI 5. April 2023 18:00 & 20:00 Uhr
CLOSE
von Lukas Dhont
BE, FR, NL 2022, 105 min
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CLOSE
Nominiert für den Oscar als "Bester Internationaler Film"
Die Pubertät ist eine höllisch schwere Zeit. Viele von den verstörenden Gefühlen, die wir in dieser Zeit des Heranreifens durchmachten, haben wir wohl schon verdrängt. Unglücklich-Sein ist Normalität in der Pubertät - bis hin zu Selbstmord-Gedanken. CLOSE ist ein Film über die Achterbahnfahrt des jugendlichen Lebens ... vom tiefen Glück der Freundschaft bie zum Schmerz der Entfrendung reicht die Spanne in diesem zarten Film mit zwei grandiosen Hauptdarstellern.
Lukas Dhont hat nach dem Erstlinswerk GIRL in seinem zweiten Film wieder das Thema der Identität aufgegriffen. Während CLOSE die Freundschaft von Léo und Rémy in traumhaft schönen Bildern und Sequenzen darstellt, steht auch die ambivalente Erfahrung von Jugendlichen bei der Findung ihrer Rolle in der Gemeinschaft im Fokus.
Lukas Dhont erzählt im Interview über seine Entwicklung des Stoffes: "Das Kino hatte ich durch meine Mutter entdeckt, die den Film TITANIC liebte. Das bewegte mich dazu, meinen eigenen Zugang zum Kino zu finden. Es dauerte nicht lang, bis ich feststellte, dass ich unbedingt intime, ganz persönliche Filme machen will. Ich wollte Dinge ausprobieren und erforschen, die mich in meiner Kindheit und meinen frühen Jahren als Teenager bewegt und verstört haben.[...]
[Nach Girl] wollte ich mich noch eingehender mit Aspekten der Identität beschäftigen, mit den Konflikten, die dadurch entstehen, wie man von anderen, von einer Gruppe wahrgenommen wird. Das ist ein Thema, das mir persönlich sehr wichtig ist."
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MI 12. April 2023 18:00 & 20:15 Uhr
Saint Omer
von Alice Diop
Frankreich 2022, 123 min
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Saint Omer
Recht versus individuelle Gerechtigkeit am Beispiel einer Kindsmörderin.
Die Kritiker sind sich einig: Ein Meisterwerk
Wir und die anderen, das ist ein die europäische Geschichte durchziehendes leidvolles Kapitel. "Saint Omer" ist ein Kleinod von einem Film, das die Schwierigkeiten im Zusammenleben von Kulturen wie in einem Brennglas zeigt.
Der Film beruht auf einem Strafprozess, der in Saint-Omer an der französischen Atlantikküste stattfand. Alice Diop verfolgte den Fall in den Medien und identifizierte die Angeklagte als Senegalesin und entwickelte eine Obsession für die Geschichte. Sie verfolgte das Schwurgericht 2016 als Zuschauerin im Gerichtssaal. Ihre eigenen Eltern waren aus dem Senegal nach Frankreich gekommen: Ihr Vater war Automobilmechaniker, die Mutter, die nie lesen und schreiben gelernt hatte, arbeitete als Putzfrau.
Diop begann ihre Karriere als preisgekrönte Dokumentarfilmerin, "Saint Omer" ist ihr erster Spielfilm. Er beruht auf ihrer eigenen Geschichte: Sie erzählt, wie sie den Prozess im Gerichtssaal verfolgt und wie ihr als schwarzer Frau in diesem verödeten Ort - wo nur die Wahlkampfplakate von Marine Le Pen noch nicht heruntergerissen wurden - ihr Anderssein schmerzlich bewußt wird.
Alice Diop sagt über die Zwangsläufigkeit, aus der heraus der Film entstanden ist: "Alle meine Filme entstehen immer aus einem Gefühl heraus, einer Intuition, die wächst und wächst und zu einer so zwingenden Besessenheit wird, dass der Film geboren wird. Ich sage mir nie: „Hey, dieses Thema ist interessant.“ Es kommt immer von etwas, das auf eine intime Geschichte zurückgeht, manchmal etwas, das schon lange Zeit unerzählt war. Für Saint Omer kommt die Besessenheit von einem Foto, das 2015 in Le Monde veröffentlicht wurde. Es ist ein Schwarz-Weiß-Bild, aufgenommen von einer Überwachungskamera: eine schwarze Frau schiebt am Gare du Nord einen Kinderwagen mit einem eingewickelten Mischlingsbaby. Ich sah das Foto an und dachte: „Sie ist Senegalesin!“ [...] Ich habe niemandem davon erzählt. Ich weiß nicht, wie ich diesen verrückten Akt beschreiben kann, zum Prozess einer Frau zu gehen, die ihr 15 Monate altes Mischlingsbaby getötet hat, obwohl ich selbst die junge Mutter eines Mischlingskindes bin. Aber ich spreche mit meinen Produzent*innen, dass es einen Film gibt, der versucht, sich selbst zu finden."
...und der Film hat sich in der Tat selbst gefunden: Es ist kein Gerichtsfilm mit eloquenten Anwälten und überraschenden Volten. "Saint Omer" zeigt mit brillianter Klarheit, wie schwierig es ist, auf Grund des kulturell gewachsenen westlichen Rechts, dem Fall einer in einer anderen Kultur verhafteten Angeklagten gerecht zu werden.
Hier das komplette Interview mit Alice Diop
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MI 19. April 2023 18:00 & 20:00 Uhr
Der Geschmack der kleinen Dinge
von Slony Sow
Frankreich 2022, 105 min
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Der Geschmack der kleinen Dinge
Gérard Depardieu als alternder Meisterkoch auf Sinn- und Geschackssuche
Depardieu ist ein Schauspieler, wie es keinen vergleichbaren gibt: Ein Mensch Mitte 70, dessen Leben in multiplen Universen spielt. Nicht nur spielt er jährlich die Hauptrolle in einem Film, nein, der Erfolgreiche hat zudem weltweit 14 Weingüter angehäuft, besitzt ein Luxusrestaurant in Paris und ganz nebenbei investiert er in eine Fischhandlung und ein Feinkostgeschäft mit japanischen Delikatessen in der Rue du Cherche-Midi in Paris, die scherzhaft auch „Rue Depardieu“ genannt wird.
In "Umami", so der Titel im Original, spielt er - ganz in seinem Element - den Starkoch eines preisgekrönten Nobelrestaurants. Doch das Lebensglück ist nicht auf seiner Seite: Seine Frau betrügt ihn mit einem Restaurantkritiker, der Sohn macht ihm nichts recht, und zu allem Überfluß erleidet er zudem einen Herzinfarkt.
Da ist es gut, einen Freund zu haben; ein Austernzüchter, der ihn aufbaut mit dem Vorschlag, den japanischen Konkurrenten aus alten Tagen aufzusuchen und das Geheimis des Umami zu ergründen. Umami ist nach Wikipedia "eine Qualität des Geschmackssinnes, die neben süß, sauer, salzig und bitter zu den grundlegenden Sinnesqualitäten der gustatorischen Wahrnehmung beim Menschen zählt".
Den Austernzüchter spielt der 14 Jahre ältere Pierre Richard, der als "Der große Blonde" in den 70er Jahren die Kinos füllte.
Fazit: 105 Minuten witzig und besinnliches Wohlfühlkino mit zwei französischen Superstars.
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MI 26. April 2023 18:00 & 20:00 Uhr
In einem Land, das es nicht mehr gibt
von Aelrun Goette
Deutschland 2022, 100 min
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In einem Land, das es nicht mehr gibt
Eine süffige Geschichte aus einer DDR, die es auch gab
Die Geschichten aus dem Land, das es nicht mehr gibt, sind noch lange nicht auserzählt. Sind wir mal ehrlich: am meisten verbinden wir Stasi, Eingeschlossenheit, Bananenmangel usw. mit der DDR - überwiegend Negatives also unter dem Oberbegriff Ostalgie.
Doch wie in vielen anderen autoritären Regimen, entwickelte sich in der DDR eine kreative Subkultur, wie wir es schon in Lieber Thomas oder Gunderman erleben konnten. Bei Aelrun Goettes, an ihre eigene Geschichte angelehntem Spielfilm, tauchen wir ein in die Modewelt der DDR. Filmemacherin Aelrun Goette wurde in den 80er Jahren auf der Straße in Ostberlin als „Mannequin“ entdeckt. Sie modelte für den VHB Exquisit, war auf dem Cover der Sibylle und stand für die großen Fotograf:innen vor der Kamera. Neben dem "offiziellen" Modebetrieb gab es auch eine Subkultur der Mode. So wie Dominique Hollenstein in Schönheit und Vergänglichkeit erzählte, wurden selbst entworfene und geschneiderte Kleider in den Ostsee Badeorten an konsum-hungrige Touristen verkauft.
Als wir "In einem Land, das es nicht mehr gibt" im Oktober gesehen hatten, war uns klar: Das ist ein 100% Keller Film - Er erzählt eine mitreißende, fast märchenhafte Geschichte über eine bunte und kreative Welt, die es in der DDR eben auch gab. Von der Stasi erwischt mit Orwells "1984" in der Tasche endet Suzies Bildungsweg vor dem Abitur, an ein Literaturstudium ist garnicht zu denken. Sie landet als Zerspanungsfacharbeiterin in einem Kabelwerk. Nur einem Zufall ist es zu verdanken, dass ein Fotograf sie entdeckt und ihr Bild auf dem Cover von Sybille erscheint. Das ist der Wendepunkt, der sie vom Aschenputtel an der Drehbank in die glitzernde Modewelt katapultiert. Doch auch in dieser haben die Genossen letztlich das Sagen und eine spannende Geschichte über Anpassung und Freiheit entwickelt sich.
Interview mit Aelrun Goette und Marlene Burow
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