Filme November / Dezember 2023

MI 1. November 2023
18:00 & 20:15 Uhr
ROSE - Eine unvergessliche Reise nach Paris
von Niels Arden Oplev
Dänemark 2022, 106 min

ROSE - Eine unvergessliche Reise nach Paris

Nachdem wir diesen liebenswerten Film am Startwochenende gesehen hatten, riefen wir umgehend den Verleih an, um "Rose" zu buchen. Wir waren uns sicher, dass auch ihr diesen Film lieben werdet.
Eigentlich ist "Rose" eine schlichte Geschichte: Ellen nimmt ihre Schwester Inger mit auf eine Busreise von Dänemark nach Paris. Inger ist schizophren und an die Regelmäßigkeit eines Heimlebens gewöhnt, und so wird schon die Reise im Bus zu einem Abenteuer, das die Mitreisenden der Edeltour auf die Probe stellt.
Es handelt sich hierbei nicht um die ausschweifende Phantasie eines Drehbuchautors. Es ist die Geschichte der Schwestern von Niels Arden Oplev, wie man in seinem unten verlinkten Regiestatement nachlesen kann. In der Mischung aus komischen und traurigen Episoden kann man die Zuneigung des Regisseurs zu seiner psychisch kranken Schwester spüren, die entwaffnend ehrlich von Sofie Grabol gespielt wird. Und "die kein Krankheitsbild spielt, sondern einen liebenswerten, sehr besonderen Menschen aus Fleisch und Blut", formulierte treffend der allgegenwärtige Filmkritiker Knut Elstermann.
Inger ist stur und sensibel zugleich. Schon am Anfang - bei einer kurzen Rast - stockt einem der Atem, als Inger einen toten Igel am Rande der Autobahn entdeckt und sich weigert, wieder in den Bus einzusteigen. Gerettet wird die Reise durch den gewitzten Jungen Christian, der eine Beerdigung des Igels vorschlägt und dabei von dem patenten Busfahrer Ole unterstützt wird. Christian wird noch eine zentrale Rolle im Film spielen, da er sich gegen den autoritären Vater durchsetzt und zum Freund und Begleiter Ingers entwickelt.
Inger hatte in jungen Jahren in Paris gearbeitet und sich unsterblich verliebt. Dass der Angebetete ihr später per Brief gesteht, dass er glücklich verheiratet ist und zwei Kinder hat, war ein traumatischer Einschnitt in ihrem Leben. Doch auf der anderen Seite retten ihre perfekten Französischkenntnisse die Reisegesellschaft aus so mancher Verlegenheit.
Fazit: Eine komische und bewegende Parisreise mit Hindernissen

Regiestatement des Regisseurs Niels Arden Oplev

Barbie

Mit inzwischen fast 6 Millionen Besuchern in den deutschen Kinos war die intelligente Satire über ein allgegenwärtiges Spielzeug eine Sensation.
Eigentlich sind Greta Gerwig und Noah Baumbach uns Kinofreaks vor allem als Schöpfer intelligenter und persönlicher Arthouse Filme bekannt. Die beiden sind schon lange ein Paar und Multitalente des Kinos: Mit Regie, Drehbuch und Produktion haben sie volle Kontrolle über ihre Filme ... und Greta hatte vor "Barbie" auch immer die Hauptrolle gespielt. Obwohl finanziert von Mattel, der Firma, die seit Jahrzehnten von der superschlanken Superfrau im Kinderzimmer lebt, hatten sie auch bei diesem Blockbuster freie Hand.
Angefixt von dem Teasertrailer, den wir gefühlt schon dutzendemal seit dem Frühling in den Berliner Kinos gesehen hatten, haben wir uns gleich am ersten Tag die letzten zwei Karten im großen Odeon Kino reserviert. Es war ein Spektakel, wie wir es seit der "Rocky Horror Picture Show" nicht mehr im Kino erlebt hatten. Mädels und Jungens alike, kamen in Pink Outfits, und die Stimmung im Saal war unglaublich.
"Barbie" ist ein Film, über den wir nicht mehr viele Worte verlieren müssen. Die Handlung ist schlicht: Barbieland ist heile Welt, natürlich bunt und fast alles in Pink. Die Mädels heißen alle Barbie und sind die Macher in Barbieland. Die Jungs heißen alle Ken, sind Playmates für die Barbies und sonst nichts. Mit ersten kleinen Alterungserscheinungen bei Barbie kommt es zur Katastrophe und Angst bricht ein in die heile Welt. Barbie mit Ken im Schlepptau müssen in die reale Welt, um das "Problem" zu lösen. Damit beginnt ein Abenteuerspektakel sondergleichen, bei dem auch Geldgeber Mattel nicht vom kritischen Witz der Filmemacher verschont bleibt.
Fazit: Ein großer Spass - ein bisschen mehr und nichts weniger!

Ein Artikel über den überraschenden Hype um "Barbie"

Ein Skype Interview mit der fazinierenden Penélope Cruz. In Englisch und ganze 15 Minuten lang ... aber es lohnt sich, mal reinzuschauen.

MI 15. November
18:00 DF & 20:00 DF
L’Immensità – Meine fantastische Mutter
von Emanuelé Crialese
FR, IT 2022, 94 min

L’Immensità – Meine fantastische Mutter

Allein schon wegen Penélope Cruz lohnt es sich, ins Kino zu gehen. Sie macht seit gut 30 Jahren Filme und ist schön wie eh und je, ist die zeitlose Verkörperung der Schöheit an sich. Dass sie altersgemäß zunehmend Mutterrollen verkörpert, hat daran nichts geändert. Gefühlt hat sie bei allen Filmen von Spaniens Regiegenie Pedro Almodóvar mitgespielt. Zuletzt in "Parallele Mütter" , den wir letztes Jahr im Keller sehen konnten.
Auch in "L'Immensità" von Emanuelé Crialese spielt sie Clara, eine Mutter am Rande des Nervenzusammenbruchs, deren überbordende Liebe ihren drei frei aufwachsenden Kindern gilt, die sie wie eine Löwin gegen die autoritären Anwandlungen ihres Mannes Felice verteidigt. Wir befinden uns in den Siebzigerjahren, einer Zeit des Aufbruchs in Politik, Emanzipation und Musik. Doch Felice ist noch der Tradition althergebrachter Männerrollen verhaftet. Die Ehe mit ihm ist lieblos geworden. Felice geht fremd, zuhause ist er ein unnahbarer Ehemann, strenger Familienvater und neigt zu impulsiven Ausbrüchen.
"L'Immensità" ist Emanuelé Crialeses persönlichster Film. Er zeichnet das Porträt einer Familie im Umbruch, angelehnt an seine eigene Kindheit im Rom der 1970er Jahre. Ein Porträt, das die Ausschweifungen einer reichen Oberschicht ebenso zeigt wie die Situation der Wanderarbeiter, die fast mittellos von Baustelle zu Baustelle ziehen und dabei das Fundament für den Wohlstand der Reichen erschaffen.
Berührend ist die zarte Liebesgeschichte zwischen der ältesten Tochter Adriana - die sich als Junge fühlt und Adri genannt werden will - und dem gewitzten Mädchen Sara, die bei den Bauarbeitern in der Barackensiedlung hinter einem geheimnisvollen Schilffeld wohnt.
Und immer wieder ist die Musik dieser Jahre ein tragendes Element, das das Lebensgefühl der Zeit vermittelt. Wenn Clara mit ihren Kindern wie in einem Musikvideo tänzerisch den Tisch deckt, ist dies einfach hinreißend anzusehen.
Fazit: Familiendrama mit Penélope Cruz als fantastische Mutter

Regiestatement des Regisseurs Emanuelé Crialese

MI 22. November
18:00 DF & 20:15 DF
Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste
CH, AT, DE 2023, 110 min
von Margarethe von Trotta

Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste

Margarethe von Trotta ist die deutsche Filmemacherin, die sich mit Frauenschicksalen und -biographien beschäftigt. Sie hat Filme über Hannah Ahrendt und Rosa Luxemburg gedreht und sich nun in ihrem achtzigsten Jahr unserer größten deutschsprachigen Dichterin des 20. Jahrhunderts gewidmet. Stets nimmt von Trotta die Perspektive der Frau ein ... und das ist nach der langen Männerdominanz in der Kunst nicht nur legitim, sondern auch nötig.
In "Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste" hat sie zwei Abschnitte aus deren Leben ausgewählt: Im Mittelpunkt steht die Beziehung zu Max Frisch. die mit einer Einladung zur Pariser Premiere von "Biedermann und die Brandstifter" beginnt und an der Unvereinbarkeit der Temperamente und vor allem auch an Frischs pathologischer Eifersucht scheitert. Der zweite Erzählstrang schildert dann die titelgebende Reise in die Wüste mit dem jungen Schriftsteller Adolf Opel, die eine Reise der Befreiung werden sollte.
Die Besetzung ist vom Feinsten: Vicky Krieps - uns noch von Corsage als Sissi in bester Erinnerung - macht die Bachmann in ihrer ureigenen Mischung aus Nonchalance und Nachdenklichkeit lebendig. Dagegen ist Ronald Zehrfeld fast eine Karikatur des Großschriftstellers, doch auch er überzeugt vor allem durch seine attraktive physische Präsenz.
Fazit: Eine mitreißend erzählte Hommage an unsere größte Dichterin

„Ich liebe Herausforderungen“ -­ Fragen an Margarethe von Trotta

MI 29. November
18:00 DF & 20:15 DF
PAST LIVES - In einem anderen Leben
von Celine Song
USA, Südkorea 2023, 106 min

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PAST LIVES - In einem anderen Leben

Seit Anfang August hält sich "Past Lives" ununterbrochen in der Liste der zehn erfolgreichsten Arthouse-Filme. Das ist ein kleiner Rekord für diese zarte Liebesgeschichte zwischen Kontinenten, in einer an Liebesgeschichten wahrlich nicht armen Zeit. Noch dazu ist es ein Film ohne Sexszenen, ohne Eifersuchtsdramen, und er spielt nicht mal in Paris!
Auch die Geschichte ist so einfach wie das Leben so spielt: Nora und Hae Sung sind unzentrennliche Freunde in Korea und werden für lange Zeit getrennt, als Noras Eltern nach Toronto auswandern. Über Social Media begegnen sie sich neu und bleiben doch durch die große Distanz getrennt. Nora lernt bei einem "Writers in Residenz" Programm den Autor Arthur kennen und lieben. Sie heiraten und werden ein glückliches Künstlerpaar in New York. Es fließt noch viel Wasser durch den Hudson, bis Hae Sung zu Besuch kommt. Er ist Ingenieur geworden, immer noch Single und es finden sich immer Anlässe, an tragikkomischen Abenden sich mit seinen Freunden dem Sake zu ergeben. Mit Hae Sungs Aufenthalt in New York verschränken sich die Dimensionen.
"Past Lives" ist Celine Songs Erstlingswerk und wir ahnen, dass es zum großen Teil auch ihre eigene Geschichte ist. Und wie das mit dem "echten" Leben so geht, gibt es keine dramatischen Höhepunkte. Es ist "Endlich mal ein Film, der einfach sehr genau vom Leben erzählt", findet Ijoma Mangold in der ZEIT. Der Film zeichnet einen langen Bogen von Noras Beziehungen mit Hae Sung und Arthur und den denkwürdigen Moment, als sich alle Drei schließlich erstmals treffen: eine zutiefst ansprechende und warmherzige Meditation über den Weg eines Lebens.
Fazit: Eine zarte Liebesgeschichte, die in verschiedenen Dimensionen gleichzeitig spielt.

Produktionsnotizen - Wie das gefeierte Erstlingswerk von Celine Song entstanden ist

MI 6. Dezember
18:00 DF & 20:15 DF
The Lost King
von Stephen Frears
England 2023, 108 min

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The Lost King

Von den sieben Filmen, die uns bei den diesjährigen Berlinale - Screenings begeistert haben, ist "The Lost King" der letzte, der in den Keller kommt ... und auch noch der vergnüglichste! Das liegt vor allem an der hageren Hauptdarstellerin Sally Hawkins, die eine wunderbare Philippa Langley gibt, die es schaffte gegen alle Widerstände das Grab von Richard III. zu finden und seinen Ruf zu rehabilitieren.
Obwohl die Filme "Rose" und "The Lost King" nicht viele Gemeinsamkeiten haben, ist Stephen Frears Melange aus Drama, Midlife-Crisis, Ehe-Stück, Archäologie-Krimi und surrealer Komödie von seiner Anmutung her ein vergleichbarer Film. Frears Philippa Langley ist ebenso von Krankheit gezeichnet wie ihr Vorbild, das unter ME litt. Aber Sally Hawkins spielt die zur Königsretterin erkorene Philippa zudem wie eine "Verrückte". Nachdem sie nach dem Besuch von Shakespeares Richard III. den "königlichen" Auftrag verspürt, Richards Ehre gegen alle Geschichtswissenschaftler wiederherzustellen, lässt sie alltägliche Pflichen fallen und verbeißt sich in ihren Auftrag. Da passt das einzigartige Mienenspiel von Sally Hawkins wie "die Faust aufs Auge". Ihr Gesicht wird man nimmer mehr vergessen!
Mit zu den witzigsten Szenen gehört, wenn Philippa zum Zirkel der Richard III, Society stößt. Ja, die haben eine eigene Website und die kommt ziemlich royal daher!
Eine wahre Glanzleistung britischen Understatements liefert Steve Coogan als Philippas Gatte John. Er hat auch an dem grandiosen Drehbuch mitgearbeitet.
Fazit: Eine wahre und von Stephen Frears vergnüglich inszenierte Geschichte

Für Geschichtsinteressierte: Hintergrund des Films

MI 13. Dezember
18:00 OmU & 20:15 OmU

Tori & Lokita
von Jean-Pierre Dardenne & Luc Dardenne
Belgien 2022, 88 min

Tori & Lokita

Die Dardenne-Brüder sind jetzt auch schon um die Siebzig und es ist einmalig, wie sie seit 45 Jahren in ihren Filmen dem Thema 'Schicksale von Menschen am Rande der Gesellschaft' treu bleiben. Sie wuchsen in einer Gemeinde der Provinz Lüttich im industriellen Seraing auf, die wie das Ruhrgebiet einen extremen Niedergang erlebt hat. Das hat die beiden geprägt.
Es sind kleine Filme mit humanistischen Geschichten über kleine Leute, die sie zu den großen Filmemachern Europas und zu Dauergästen in Cannes gemacht haben. Sie nehmen sich der Themen an, die wir in unserer reichen Gesellschaft gerne verdrängen. Alkoholismus, Rassismus, Kriminalität und Missbrauch sind z.B. Themen, die sie uns durch die Fokusierung auf die Geschichte ihrer Protagonisten näher bringen und ja, auch erträglich machen.
"Tori & Lokita" ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Dardenne-Brüder die Dramatik hinter den Migrationsgeschichten unbegleiteter Jugendlicher mit der liebevollen Beziehung der zwei Kinder zueinander kontrastieren. Sie sind wie Hänsel und Gretel, von einer regelgesteuerten Bürokratie in die unbarmherzige Welt des Geldes und des Verbrechens geworfen. So ist der Film Märchen, Thriller und Tragödie in einem.
Obwohl in Cannes preisgekrönt hat "Tori & Lokita" erst mit über einem Jahr Verspätung in die deutschen Kinos gefunden. Ein neuer kleiner Verleih hat sich seiner angenommen, der sich leider keine Synchronisation leisten kann. Wir spielen daher in beiden Vorstellungen die französische Originalfassung mit Untertiteln. Lasst euch nicht abschrecken - es gibt wenig Dialoge und der Film ist allein schon durch die intensiven Bilder verständlich.
Fazit: Diese berührende Geschichte zweier Flüchtlingskinder lässt niemanden kalt.

Auszug aus dem Presseheft zu "Tori & Lokita"

MI 20. Dezember
18:00 OmU & 20:15 DF
Verrückt nach Figaro
von Ben Lewin
Großbritannien 2022, 108 min

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Verrückt nach Figaro

Vor den Weihnachtstagen ist es eine gute Idee, sich zwei Stunden entspannte Unterhaltung zu gönnen ... haben wir uns gedacht.
... und der ideale Film zum Abtauchen in den Keller ist uns gleich eingefallen: "Verrückt nach Figaro" ist wahrlich kein Film, der uns über den Sinn der Welt aufklärt. Er ist einfach eine gut erzählte, witzige Geschichte mit Happy End, nach der man entspannt und schmunzelnd in die Federbetten sinken kann.
Die Story ist kaum zu glauben: Die erfolgreiche Fondsmanagerin Millie entdeckt die Liebe zur Oper und ihre Berufung zur Sängerin. Aus ihrem Beruf nimmt sie Durchsetzungskraft und gescheffelte Pfundnoten mit und lässt sich von der gealterten Diva Meghan nicht abschrecken, als diese sie zunächst nicht als Schülerin aufnehmen will. Doch Meghan ist abgebrannt und kann schließlich dem Honorar nicht widerstehen.
Doch die absurde Story vergisst man schnell, wenn der Film uns in das ländliche Schottland entführt. Zu einem mürrischen Pub-Besitzer mit seinem Adlatus Max, der sich erfolglos als Sänger beweisen will und sich für die Stunden bei der Diva für Hilfsjobs aller Art verdingt und mit Kochkünsten "gesegnet" ist, die den traditionellen Ruf der englischen Küche noch in den Schatten stellen.
Es versteht sich von selbst, dass Millie und Max im Laufe der turbulenten Handlung zueinander finden und der alte Hochfinanz-Freund am Ende mit seinem teuren Schlitten von dannen zieht.
Ein großer Spaß, nicht mehr und nicht weniger.
Fazit: Ein vergnüglicher Ausflug in die schottischen Highlands - Alternativprogramm zu Winterkälte und Weihnachtsstress

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